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UX-Strategie für Energieversorger: Klar und nutzerfreundlich

Geschrieben von Alina Müller von Friendventure | Aug 4, 2025 6:00:00 AM

Digitale Angebote sollten das Leben einfacher machen – aber viel zu oft begegnet man bei Webseiten von Energieversorgern genau dem Gegenteil: komplexe Navigation, veraltete Prozesse und Fachjargon, der mehr verwirrt als hilft. Für Nutzer*innen heißt das: Frust statt Information. 

Die meisten Menschen wollen online gar nicht viel: schnell etwas nachlesen, den Zählerstand melden oder den Tarif wechseln. In der Praxis klappt das oft nicht so einfach. Webseiten sind überladen, Abläufe unnötig kompliziert und wichtige Informationen nur schwer zu finden. Warum ist das so? Weil das Verständnis fehlt, wie Menschen digitale Produkte tatsächlich nutzen – und was sie brauchen. Genau hier setzen UX-Strategien an. 

UX - Was ist das nochmal?

 

User Experience, kurz UX, beschäftigt sich damit, wie Menschen ein digitales Angebot – zum Beispiel eine Website oder eine App – erleben und benutzen. Es geht darum, wie einfach, schnell und angenehm es für sie ist, das zu finden oder zu tun, was sie wollen. Eine gute UX stellt sicher, dass Anwender*innen schnell und unkompliziert ihre Ziele erreichen. Sie ist ein Zusammenspiel aus: 

Informationsarchitektur: Wie ist die Website strukturiert? 

Usability: Wie leicht lässt sich das Angebot nutzen? Sind die Formulare verständlich aufgebaut? Prozesse nachvollziehbar?

Sprache und Inhalt: Wird verständlich und klar kommuniziert? 

Visual Design:  Trägt das Design zur Orientierung und Wiedererkennbarkeit bei – oder lenkt es eher ab?

Performance und Technik: Lädt die Seite schnell? Funktioniert sie auf allen Geräten? 

Accessibility: Können auch Menschen mit Einschränkungen das Angebot ohne Hürden nutzen?


Viele Unternehmen holen sich dabei externe Expertise von UX Design Agenturen, um komplexe Anforderungen besser zu verstehen und in eine nutzerfreundliche Erfahrung zu übersetzen.

 

 

Warum eine gute UX-Strategie für Energieversorger unverzichtbar ist

Energieversorgungsunternehmen (EVUs) stehen vor der Herausforderung, ihre digitalen Angebote so zu gestalten, dass Kund*innen schnell und unkompliziert finden, was sie suchen. Der Vertrieb von Energieprodukten ist zunehmend digital geprägt, wodurch Website oder App oft der wichtigste Berührungspunkt wird. Hier entscheidet sich, ob Nutzer*innen Vertrauen aufbauen, komplexe Informationen verstehen und letztlich eine Entscheidung zugunsten des Anbieters treffen. Eine gezielte User-Experience-Strategie bietet daher für EVUs viele Vorteile:

 

Kunden vergleichen Angebote: Die meisten informieren sich online über Tarife und Anbieter. Wirkt die Seite unklar, sind sie schnell wieder weg. 

 

 

Gute UX senkt Kosten: Intuitive Websites reduzieren Rückfragen, Abbrüche und Fehler – und sparen so Zeit und Geld.

UX ist kein Luxus, sondern Erwartung: Durch Firmen wie Amazon, Apple & Co. sind hohe Nutzerfreundlichkeit und klare Strukturen zum Standard geworden – egal ob beim Shoppen oder Energieanbieter wählen.

 

Energie ist komplex: Dynamische Preise, Solaranlagen, E-Mobilität und Förderprogramme erhöhen die Komplexität. Gute UX sorgt dafür, dass diese Vielfalt verständlich und zugänglich bleibt.

Die wichtigste UX-Methode: Nutzer*innen verstehen

Wer digitale Angebote plant oder optimiert, muss verstehen, wie Kund*innen denken. Die zentrale Grundregel für UX-Strategien lautet daher: Gestaltet wird für User – nicht für interne Vorstellungen. Aussagen wie „Wir glauben, dass unsere Kunden das so wollen“ reichen nicht aus. Stattdessen braucht es eine systematische Herangehensweise, um Bedürfnisse, Nutzungskontexte und potenzielle Barrieren zu erkennen. Nutzerzentrierung beginnt mit dem Perspektivwechsel: Welche Fragen stellen sich Menschen auf der Website? Welche Aufgaben wollen sie erledigen? Wo entstehen Reibungspunkte?

3 Methoden um Nutzer*innen besser zu verstehen:

Nutzerinterviews und Befragungen: Gespräche mit tatsächlichen Nutzer:innen bringen direkte Einblicke. Welche Themen sind unklar? Welche Begriffe verwirren? Was wird gesucht, aber nicht gefunden? Diese qualitativen Daten helfen, digitale Angebote an realen Bedürfnissen auszurichten – nicht an Vermutungen.

Usability-Tests mit Prototypen oder Live-Seiten: Bereits einfache Testformate mit wenigen Nutzer:innen decken zentrale Schwächen in Navigation, Verständlichkeit oder Abläufen auf. Ob mit einem klickbaren Prototyp oder einer bestehenden Website: Beobachtbare Nutzung ist eine der wirkungsvollsten Methoden, um Schwachstellen zu finden. 
> Mehr zum Usability Testing

Support- und Service-Daten auswerten: Support und Service liefern wertvolle Einblicke in wiederkehrende Probleme oder Missverständnisse. Ein Abgleich zwischen UX-Team und Service-Abteilung kann helfen, Probleme zu erkennen und Lösungen zu erarbeiten. 

UX bei Energieversorgern – so werden komplexe Prozesse zugänglich

Tarifwechsel, Umzugsmeldung, Zählerstand übermitteln – viele digitale Angebote von Energieversorgern sind naturgemäß anspruchsvoll. Es geht um persönliche Daten, Verträge, Verbrauchswerte und gesetzliche Vorgaben. Genau hier können UX-Maßnahmen Mehrwert schaffen. Schauen wir uns das am Beispiel eines Tarifwechsels genauer an – und was sich mit einer durchdachten UX-Strategie erreichen lässt:

Ein klarer Einstieg mit Struktur   Schrittweise Nutzerführung
Ein strukturierter Prozess wirkt überschaubar. Eine Fortschrittsanzeige („Schritt 2 von 4“) und eine geschätzte Dauer („ca. 3–5 Minuten“) geben Orientierung und helfen Nutzer*innen, sich gut aufgehoben zu fühlen. Menschen navigieren sicherer, wenn sie wissen, was vor ihnen liegt.   Statt eines langen Formulars, das auf einen Schlag alle Informationen abfragt, werden einzelne Themenbereiche sinnvoll aufgeteilt: z. B. Adresse, Verbrauch, Tarifwahl, Zahlung. Jeder Schritt konzentriert sich auf einen Aufgabenbereich. 
     
Verständliche Sprache und Kontext   Sofortiges Feedback bei Eingabe
Gerade bei neuen oder erklärungsbedürftigen Themen – z. B. dynamische Stromtarife – helfen begleitende Erklärtexte, einfache Sprache und visuelle Hilfen. Symbole, Tooltips oder Microcopy (kleine Texthilfen in Apps und Websites, die Nutzer:innen leiten und informieren) geben hier Orientierung.   Geben Nutzer:innen Daten wie ihre Postleitzahl oder Zählernummer ein, sollte das System diese sofort prüfen – und bei Fehlern eine Rückmeldung geben, etwa: „Bitte geben Sie eine 5-stellige PLZ ein.“ So wird vermieden, dass Nutzer:innen erst am Ende des Prozesses auf Fehler stoßen oder Eingaben doppelt machen müssen. 
     
Überblick und Bestätigung    
Am Ende erhalten Nutzer:innen eine übersichtliche Zusammenfassung aller Angaben – mit der Möglichkeit, einzelne Felder noch zu ändern. Nach dem Absenden folgt eine klare Bestätigung. Das Gefühl der Kontrolle stärkt das Vertrauen in den Prozess.    

 

Was in der User Experience oft schief läuft – und wie du es besser machen kannst

Gerade Energieversorger stehen vor der Herausforderung, komplexe Inhalte und vielfältige Anforderungen auf ihren Websites verständlich und nutzerfreundlich aufzubereiten. Umso wichtiger ist es, grundlegende UX-Fehler zu vermeiden.

Wir haben unsere UX-Expertin Susanne Weigel gefragt, woran digitale Angebote in der Praxis oft scheitern – und welche typischen Stolperfallen sich mit wenig Aufwand vermeiden lassen:

Unklare visuelle Hierarchie
Wenn Inhalte nicht klar priorisiert sind, konkurrieren Texte, Buttons und Bilder um Aufmerksamkeit. Eine gute visuelle Struktur mit großen, sprechenden Überschriften, genügend Weißraum und konsistenter Typografie hilft, Inhalte zu gliedern. Die Seite sollte sich auf eine zentrale Aktion konzentrieren – z. B. einen gut sichtbarer Call-to-Action. Was an einer Stelle nicht unbedingt gebraucht wird, kann weg:

Schon eine Reduktion um 20 % des Inhalts schafft mehr Klarheit.

Schwache Navigation und Orientierung
Unstrukturierte Menüs und zu viele Navigationsebenen bremsen Nutzer*innen aus – besonders auf informationslastigen Seiten. Eine flache, maximal zwei- bis dreistufige Navigation mit selbsterklärenden Begriffen schafft Abhilfe. Statt vager Labels wie „Service“ sind konkrete Bezeichnungen wie „Kundendaten ändern“ hilfreicher. Visuelle Rückmeldungen wie aktive Zustände oder Breadcrumbs verbessern zusätzlich die Orientierung.

Nur optisch mobil optimiert
Viele Seiten sehen auf dem Smartphone zwar gut aus, lassen sich aber schlecht bedienen – sei es durch zu kleine Schaltflächen oder verschachtelte Inhalte. Die mobile UX muss die tatsächliche Nutzungssituation berücksichtigen. Dazu gehören ausreichend große Touch-Zonen und Buttons (mind. 48 px), klar strukturierte mobile Menüs und responsive Komponenten. Entscheidend ist: auch unter realen Bedingungen testen – etwa bei schlechter Netzverbindung oder Sonnenlicht.

Inkonsistentes Design 
Uneinheitliche Farben, wechselnde Schriftarten oder unterschiedliche UI-Elemente stören den Lesefluss – und wirken unprofessionell. Ein durchgängiges Designsystem sorgt für visuelle Kohärenz: wiederverwendbare Komponenten, klare Regeln für Typografie, Farben, Abstände und Icons helfen, einen konsistenten Auftritt über alle Seitentypen hinweg sicherzustellen.

Barrierefreiheit wird nicht mitgedacht
Ein erheblicher Teil der Nutzer*innen ist auf barrierefreie Gestaltung angewiesen. Accessibility darf daher nicht nachgelagert behandelt werden. Ausreichende Farbkontraste, saubere Tastaturnavigation, beschriftete Formulare, Alternativtexte und eine sinnvolle Tab-Reihenfolge sind essenzielle Anforderungen. Wer diese Aspekte berücksichtigt, verbessert nicht nur die Zugänglichkeit, sondern auch die allgemeine Usability, SEO und mobile Nutzung.

Mehr zum Thema Barrierefreiheit im Accessibility-Talk erfahren >>

Fehlende Nutzerkommunikation
Wenn Seiten hängen, Formulare nicht senden oder Ladezeiten auftreten, fehlen oft Rückmeldungen. Das sorgt für Unsicherheit – und häufige Abbrüche. Microcopy sollte Nutzer*innen aktiv begleiten: durch hilfreiche Fehlerhinweise („Bitte geben Sie eine gültige PLZ ein“), durch sichtbare Ladeanzeigen oder durch eine Bestätigung nach Abschluss („Ihr Antrag wurde übermittelt“). Auch während der Eingabe helfen Inline-Validierung und Beispielangaben, um Fehler zu vermeiden.

 

 

UX aus der Praxis: Was Entscheider*innen wissen sollten

UX-Projekte stoßen häufig auf Herausforderungen, weil wichtige Aspekte und Erwartungen vorab nicht ausreichend berücksichtigt werden. UX-Consultant  Susanne von Friendventure erklärt fünf zentrale Punkte, die vor Projektbeginn oft zu wenig Beachtung finden – und zeigt, wie man von Anfang an realistisch und effektiv plant:

UX ist Problemlösung, nicht nur Gestaltung Gute Nutzererfahrung entsteht nicht durch hübsche Screens, sondern durch funktionierende Abläufe. Es geht darum, wie verständlich und zugänglich ein digitales Produkt ist – ob Menschen es intuitiv bedienen können, ob es Vertrauen schafft und sie gern wiederkommen. UX ist in erster Linie funktional, nicht dekorativ.

Nutzerzentrierung bedeutet, eigene Annahmen loszulassen

Oft starten Projekte mit einem „Wir glauben, dass unsere Nutzer*innen …“. UX dreht diesen Ansatz um: Es wird beobachtet, getestet, analysiert – und erst dann entschieden. Wer Nutzer*innen wirklich in den Mittelpunkt stellen will, muss bereit sein, bestehende Annahmen zu hinterfragen und sich auf neue Erkenntnisse einzulassen.

UX braucht Zeit – spart aber langfristig Kosten

Eine durchdachte UX entsteht in Schleifen: durch Recherche, Prototyping, Tests. Das mag im Vergleich zu klassischen Projektplänen langsam wirken, verhindert aber spätere Fehlentwicklungen. Wer UX zu knapp kalkuliert, riskiert schlechte Bewertungen, Supportaufwand oder teure Nachbesserungen.

UX-Erfolg ist messbar – aber nicht nur in Klicks

Gute UX zeigt sich z. B. in höheren Abschlussraten, weniger Abbrüchen, geringeren Support-Anfragen und besserer Zufriedenheit (z. B. gemessen durch NPS). Entscheidend ist: Man muss vorab gemeinsam klären, welche KPIs sinnvoll sind – und realistisch messbar.

UX endet nicht mit dem Launch

UX ist kein “Einmalprojekt”. Nutzerverhalten, technische Standards und Erwartungen ändern sich – darum muss auch die Nutzerführung regelmäßig überprüft und weiterentwickelt werden. Wer UX nach dem Go-Live abhakt, riskiert, den Anschluss an die Nutzer*innen zu verlieren.

Fazit


In einer Branche, in der komplexe Produkte und zunehmende Digitalisierung aufeinandertreffen, entscheidet die User Experience über Vertrauen, Verständnis und Kundenbindung. Energieversorger, die ihre digitalen Angebote nutzerzentriert gestalten, profitieren doppelt: Sie schaffen effizientere Prozesse – und begeistern ihre Kunden mit zugänglichen Web-Erlebnissen. Der Schlüssel einer guten UX-Strategie liegt im Perspektivwechsel: Wer konsequent aus Sicht der Nutzer*innen denkt, testet und optimiert, macht aus technischen Pflichtaufgaben echte Serviceerlebnisse. 

Die UX-Expertin Susanne bringt es auf den Punkt:

Wenn ich einem Unternehmen nur einen einzigen UX-Tipp geben dürfte, dann wäre es dieser: Sprich mit deinen Nutzer*innen – regelmäßig, direkt, ehrlich. Denn viele UX-Probleme entstehen nicht durch Technik, sondern durch falsche Annahmen über die Nutzerbedürfnisse. Laut einer Studie der Nielsen Norman Group reichen schon 6–8 Proband*innen aus, um 80 % der Usability-Probleme aufzudecken. Egal ob Startup oder Konzern: Wer seine Nutzer*innen kennt, trifft bessere Entscheidungen. Wer das nicht tut, optimiert im Dunkeln.“