Digitale Angebote sollten das Leben einfacher machen – aber viel zu oft begegnet man bei Webseiten von Energieversorgern genau dem Gegenteil: komplexe Navigation, veraltete Prozesse und Fachjargon, der mehr verwirrt als hilft. Für Nutzer*innen heißt das: Frust statt Information.
Die meisten Menschen wollen online gar nicht viel: schnell etwas nachlesen, den Zählerstand melden oder den Tarif wechseln. In der Praxis klappt das oft nicht so einfach. Webseiten sind überladen, Abläufe unnötig kompliziert und wichtige Informationen nur schwer zu finden. Warum ist das so? Weil das Verständnis fehlt, wie Menschen digitale Produkte tatsächlich nutzen – und was sie brauchen. Genau hier setzen UX-Strategien an.
UX - Was ist das nochmal?
User Experience, kurz UX, beschäftigt sich damit, wie Menschen ein digitales Angebot – zum Beispiel eine Website oder eine App – erleben und benutzen. Es geht darum, wie einfach, schnell und angenehm es für sie ist, das zu finden oder zu tun, was sie wollen. Eine gute UX stellt sicher, dass Anwender*innen schnell und unkompliziert ihre Ziele erreichen. Sie ist ein Zusammenspiel aus:
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Energieversorgungsunternehmen (EVUs) stehen vor der Herausforderung, ihre digitalen Angebote so zu gestalten, dass Kund*innen schnell und unkompliziert finden, was sie suchen. Der Vertrieb von Energieprodukten ist zunehmend digital geprägt, wodurch Website oder App oft der wichtigste Berührungspunkt wird. Hier entscheidet sich, ob Nutzer*innen Vertrauen aufbauen, komplexe Informationen verstehen und letztlich eine Entscheidung zugunsten des Anbieters treffen. Eine gezielte User-Experience-Strategie bietet daher für EVUs viele Vorteile:
Kunden vergleichen Angebote: Die meisten informieren sich online über Tarife und Anbieter. Wirkt die Seite unklar, sind sie schnell wieder weg. |
Gute UX senkt Kosten: Intuitive Websites reduzieren Rückfragen, Abbrüche und Fehler – und sparen so Zeit und Geld. |
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UX ist kein Luxus, sondern Erwartung: Durch Firmen wie Amazon, Apple & Co. sind hohe Nutzerfreundlichkeit und klare Strukturen zum Standard geworden – egal ob beim Shoppen oder Energieanbieter wählen. |
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Energie ist komplex: Dynamische Preise, Solaranlagen, E-Mobilität und Förderprogramme erhöhen die Komplexität. Gute UX sorgt dafür, dass diese Vielfalt verständlich und zugänglich bleibt. |
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Tarifwechsel, Umzugsmeldung, Zählerstand übermitteln – viele digitale Angebote von Energieversorgern sind naturgemäß anspruchsvoll. Es geht um persönliche Daten, Verträge, Verbrauchswerte und gesetzliche Vorgaben. Genau hier können UX-Maßnahmen Mehrwert schaffen. Schauen wir uns das am Beispiel eines Tarifwechsels genauer an – und was sich mit einer durchdachten UX-Strategie erreichen lässt:
Ein klarer Einstieg mit Struktur | Schrittweise Nutzerführung | |
Ein strukturierter Prozess wirkt überschaubar. Eine Fortschrittsanzeige („Schritt 2 von 4“) und eine geschätzte Dauer („ca. 3–5 Minuten“) geben Orientierung und helfen Nutzer*innen, sich gut aufgehoben zu fühlen. Menschen navigieren sicherer, wenn sie wissen, was vor ihnen liegt. | Statt eines langen Formulars, das auf einen Schlag alle Informationen abfragt, werden einzelne Themenbereiche sinnvoll aufgeteilt: z. B. Adresse, Verbrauch, Tarifwahl, Zahlung. Jeder Schritt konzentriert sich auf einen Aufgabenbereich. | |
Verständliche Sprache und Kontext | Sofortiges Feedback bei Eingabe | |
Gerade bei neuen oder erklärungsbedürftigen Themen – z. B. dynamische Stromtarife – helfen begleitende Erklärtexte, einfache Sprache und visuelle Hilfen. Symbole, Tooltips oder Microcopy (kleine Texthilfen in Apps und Websites, die Nutzer:innen leiten und informieren) geben hier Orientierung. | Geben Nutzer:innen Daten wie ihre Postleitzahl oder Zählernummer ein, sollte das System diese sofort prüfen – und bei Fehlern eine Rückmeldung geben, etwa: „Bitte geben Sie eine 5-stellige PLZ ein.“ So wird vermieden, dass Nutzer:innen erst am Ende des Prozesses auf Fehler stoßen oder Eingaben doppelt machen müssen. | |
Überblick und Bestätigung | ||
Am Ende erhalten Nutzer:innen eine übersichtliche Zusammenfassung aller Angaben – mit der Möglichkeit, einzelne Felder noch zu ändern. Nach dem Absenden folgt eine klare Bestätigung. Das Gefühl der Kontrolle stärkt das Vertrauen in den Prozess. |
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UX-Projekte stoßen häufig auf Herausforderungen, weil wichtige Aspekte und Erwartungen vorab nicht ausreichend berücksichtigt werden. UX-Consultant Susanne von Friendventure erklärt fünf zentrale Punkte, die vor Projektbeginn oft zu wenig Beachtung finden – und zeigt, wie man von Anfang an realistisch und effektiv plant:
Gute Nutzererfahrung entsteht nicht durch hübsche Screens, sondern durch funktionierende Abläufe. Es geht darum, wie verständlich und zugänglich ein digitales Produkt ist – ob Menschen es intuitiv bedienen können, ob es Vertrauen schafft und sie gern wiederkommen. UX ist in erster Linie funktional, nicht dekorativ. |
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Oft starten Projekte mit einem „Wir glauben, dass unsere Nutzer*innen …“. UX dreht diesen Ansatz um: Es wird beobachtet, getestet, analysiert – und erst dann entschieden. Wer Nutzer*innen wirklich in den Mittelpunkt stellen will, muss bereit sein, bestehende Annahmen zu hinterfragen und sich auf neue Erkenntnisse einzulassen. |
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Eine durchdachte UX entsteht in Schleifen: durch Recherche, Prototyping, Tests. Das mag im Vergleich zu klassischen Projektplänen langsam wirken, verhindert aber spätere Fehlentwicklungen. Wer UX zu knapp kalkuliert, riskiert schlechte Bewertungen, Supportaufwand oder teure Nachbesserungen. |
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Gute UX zeigt sich z. B. in höheren Abschlussraten, weniger Abbrüchen, geringeren Support-Anfragen und besserer Zufriedenheit (z. B. gemessen durch NPS). Entscheidend ist: Man muss vorab gemeinsam klären, welche KPIs sinnvoll sind – und realistisch messbar. |
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UX ist kein “Einmalprojekt”. Nutzerverhalten, technische Standards und Erwartungen ändern sich – darum muss auch die Nutzerführung regelmäßig überprüft und weiterentwickelt werden. Wer UX nach dem Go-Live abhakt, riskiert, den Anschluss an die Nutzer*innen zu verlieren. |
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